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Andante Sostenuto
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Lebendig ist wer wach bleibt

sich den anderen schenkt

das Bessere hingibt

niemals rechnet.

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Lebendig ist wer das Leben liebt

seine Begräbnisse seine Feste

wer Märchen und Mythen

auf den ödesten Bergen findet.

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Lebendig ist wer das Licht erwartet

in den Tagen des schwarzen Sturms.

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Lebendig ist wer die stilleren Lieder

ohne Geschrei und ohne Schüsse wählt

sich zum Herbst hinwendet

und nicht aufhört zu lieben.

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LUIGI NONO

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          Alive is someone who remains awake
          somene who gives himself to others
                  giving the best part away
                       never keeps count.

 

              Alive is someone who loves life
                   it’s funerals, its festivals
        someone who finds fairy tales and myths 
                on the bleakest mountains.

 

            Alive is someone who expects light

              in the days of the darkest storms
         someone who chooses the silent songs

                  without clamor and shots
        someone who turns towards the autumn
                    and never stops loving.

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                                  ___

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                            LUIGI NONO

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ANDANTE SOSTENUTO

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YOUNG MOVES

Plattform Choreographie Ballett am Rhein

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf-Duisburg

Premiere -4.Juli 2017- Opernhaus Düsseldorf

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Music

"Daydreaming" by Radiohead as well as

"Andante sostenuto" 2nd movement of the piano sonata Nr.21 B-major

by Franz Schubert

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Choreographie and Stage

Boris Randzio

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Costumem Design

Louise Flanagan

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Lightning Design

Thomas Diek

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Balletmaster

Callum Hastie

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Dancers

Marlúcia do Amaral, Asuka Morgenstern, Virginia Segarra Vidal, Rashaen Arts, Brice Asnar, Richard Jones

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Fotos©Gert Weigelt  

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Fotos©Gert Weigelt  

„DAS LEBEN SPÜREN“

Boris Randzios Andante sostenuto

 

 

Die Stimmung im Ballettsaal ist hochkonzentriert. Mit leisen, aber bestimmten Anweisungen schält Boris Randzio Bewegungen aus seinen sechs Tänzerinnen und Tänzern heraus. Es ist ein äußerst feines, fragiles, ganz und gar nicht lautes Arbeiten, ein intensives Forschen und Ausloten auch als ein Geben und Nehmen, ein Aufnehmen, Weiterdenken, Zurückgeben, Sich-gegenseitig-Stützen. Immer wieder wird aber auch gelacht, bricht das volle Leben, eine ausgelassene Freude hinein in diese Atmosphäre eines Arbeitens von geradezu „heiligem Ernst“. Als stiller Beobachter erlebt man staunend, wie sieben Menschen vorsichtig, miteinander in Kontakt treten, fast ein wenig scheu, voller Respekt, aber auch einer großen Neugier aufeinander, obwohl man sich schon seit vielen Jahren kennt. Beziehungen entwickeln sich, Vertrauen entsteht, Fragen werden gestellt, Antworten gesucht – und doch bleibt der Raum offen, so dass jeder frei atmen kann.

Zu drei Paaren, die den Zusammenhalt nicht verlieren, hat Boris Randzio seine drei Tänzerinnen und drei Tänzer zusammengestellt, die Frauen auf Spitze. Arabesquen und andere klassische Formen entfalten eine innige Schönheit. Aber auch jene fein ziselierten Bewegungen der Hände und Arme, die schon in Mindrift – Boris Randzios erster Choreographie für das Ballett am Rhein – als ein charakteristisches Element seiner Bewegungssprache zu entdecken waren, spielen erneut eine zentrale Rolle: Gesten, aus denen sich ein dichtes Netz an Kommunikation aufbaut, ein feines Aufnehmen der Musik auch, in dem die Töne im Raum noch weiterschwingen zu scheinen, wenn sie für das Ohr schon längst verklungen sind. Die Zahl Drei spielt immer wieder in die Konstellationen im Raum hinein, in die zahlreichen geometrischen Dreiecksformationen etwa. Über weite Strecken des Stückes bewegen sich die drei Paare völlig synchron – und doch behält jedes seine Individualität, wirkt die Geschmeidigkeit und erotische Anziehungskraft des einen bei den anderen sperriger, distanzierter. Es ist ein gemeinsames Tanzen, in dem jeder aber seine Persönlichkeit zeigt. Es sind Menschen, die hier zusammentreffen, kein abstraktes Bewegen im Raum oder reines „Musizieren mit dem Körper“. „Ich möchte versuchen, das vorsichtige Abtasten der Musik bis hin zu einem großen Vertrauen mit den drei Frauen und Männern nachzuempfinden. Es geht dabei für mich auch um das Vertrau- en zwischen Mann und Frau oder einfach Menschen, darum, genug Zeit, genug Raum zu lassen, um sich und das Leben zu spüren, ohne Angst zu haben“, so Boris Randzio.

Ausgangspunkt seiner Choreographie Andante sostenuto war für den Choreographen der 2. Satz aus Franz Schuberts 21. Klaviersonate B-Dur D 960 – das allerletzte Klavierwerk des Wiener Komponisten, entstanden wenige Wochen vor seinem Tod am 19. November 1828. Im breit dahinströmenden Gesang der Melodiestimme in der rechten Hand dieses Andante sostenuto spiegelt sich der Liederkomponist Schubert, doch es ist eine Musik, die immer wieder ins Stocken gerät. In all den vielen kleinen Pausen in den beiden Rahmenabschnitten des in der dreiteiligen Liedform A-B-A gebauten Satzes zeigt sich eine zutiefst beunruhigende Bangigkeit, ein Zustand der Unruhe, den Dieter Schnebel als das suggestive „Protokoll eines dissoziierenden Lebens, das sich mehr tastend als zugreifend

verhält“, bezeichnete.

„Für mich ist dieses Stück ein Schrei nach Leben“, beschreibt Boris Randzio seinen Eindruck von der Komposition. „Es ist gleichermaßen lebensbejahend, liebend, verständnisvoll, nachgiebig, wie auch resignierend, abgeschottet – und fast aggressiv in der Mitte. Insgesamt spüre ich eine große Liebe zum Leben, ein Festhalten, aber auch ein Loslassen, Sich-Fallen-Lassen, weil man weiß, dass man die Dinge nicht zwingen kann.“ Schuberts Zeitgenossen blieb diese Musik zutiefst fremd. Es dauerte Jahre bis zu ihrer posthumen Publikation, und über ein Jahrhundert zu ihrer wirklichen Erschließung, an der unter anderem auch der sowjetische Pianist Sviatoslav Richter maßgeblich beteiligt war. In einer der schönsten Musikerdokumentationen, die es gibt – Bruno Monsaingeons 1995/98 ent- standener Film Richter, der Unbeugsame, in dem das Andante sostenuto als Titelmusik fungiert – war Boris Randzio auf diesen langsamen Satz gestoßen, der in der von ihm dann auch für seine Choreographie verwendeten Einspielung des legendären Pianisten auf unvergleichliche Weise von existenzieller Verlorenheit, aber auch einer kraftvollen, ungebändigten inneren Freiheit spricht.

Erst während der Arbeit an dem neuen Stück für das Young Moves-Programm des Balletts am Rhein entschied sich Boris Randzio, Schuberts Musik die Ballade Daydreaming aus dem 2016 veröffentlichten Album A Moon Shaped Pool der englischen Band Radiohead gegenüberzustellen – ein geradezu Beckett’sches, dunkel getöntes Irre-Gehen durch eine Welt, in der man deplatziert ist, ein Singen davon, dass Träumer nie dazulernen und immer erst aufwachen, wenn die Katastrophe bereits geschehen ist. „Der Tanz im ersten Teil meines Stückes ist stärker mit dem Boden verbunden, als ob die Tänzer gerade erst gebo- ren würden, um dann zu Schuberts Musik immer mehr abzuheben – auch durch die Spitzenschuhe, die zu Beginn kaum eine Rolle spielen“, erläutert Boris Randzio. „Daydreaming von Radiohead thematisiert den Wunsch eines Rückzugs aus der Gesellschaft, sei es aus Gründen des Schutzes oder der Abschottung. Diese Gefühle des Alleinseins möchte ich zur Musik Franz Schuberts aufbrechen, zeigen, wie das Vertrauen zu sich selbst und den anderen zurückkehrt.“

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                                                                             Anne do Paço

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